Die Sinnesorgane mit der genauesten Messtechnik
Unser Ohr ist das erste Organ, das bei unserer Entwicklung funktioniert:
Schon ab der 8. Lebenswoche im Mutterleib hören wir, da sind wir gerade mal um die 21 Millimeter groß und werden noch Embryo genannt.
Mit 18 Wochen ist die Hörfähigkeit dann voll ausgebildet. Das spüren auch die werdenden Mütter: wie ihre ungeborenen Kinder deutlich auf Geräusche reagieren, vor allem auf Musik oder die Stimmen der werdenden Eltern.
Dabei ist das Hören ein unglaublich komplexer Vorgang:
Geräusche entstehen durch Schwingungen, die als Schallwellen über den Gehörgang zum Trommelfell gelangen. Das beginnt zu schwingen
und versetzt wiederum die drei kleinen Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel im Mittelohr in Bewegung – übrigens die kleinsten Knochen in unserem Skelett. Weiter geht es mit den
Schwingungen zum Innenohr. Hier werden sie von den ca. 20.000 Haarzellen der Hörschnecke, der Cochlea, in elektrische Impulse umgewandelt und über den Hörnerv in jene Region des Gehirns
weitergeleitet, die für das Hören zuständig ist. Erst dort findet die Entschlüsselung und Interpretation der Impulse statt –wir hören.
In diesem Prozess spielen zwei Faktoren eine zentrale Rolle: Frequenz, also die Tonhöhe, und Lautstärke, der so genannte Schalldruck bzw. Schallpegel. Die Frequenz ist die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde und wird in Hertz (Hz), der Schallpegel in Dezibel (dB) gemessen. Weil der Schallpegel vom Gehörgang bis zu den Gehörknöchelchen je nach Frequenz unterschiedlich stark weitergeleitet wird, hängt das Lautstärkeempfinden auch von der Frequenz des Schalls ab. Dabei reicht das wahrnehmbare Spektrum für uns von etwa 16 Hertz bis maximal 20.000 Hertz, lässt aber vor allem für hohe Frequenzen im Alter nach. Außerhalb unserer Reichweite liegen sowohl tiefere Frequenzen, der so genannte Infraschall, wie ihn Elefanten noch hören, als auch die höheren Frequenzen des Ultraschalls, den Hunde, Delfine und Fledermäuse wahrnehmen.
Nun reagieren die Härchenzellen in der Cochlea sehr sensibel auf Überbelastung. Ab 85 Dezibel kann es um sie schlecht bestellt sein. Zum Vergleich: das Atmen wird mit 10 dB gemessen und als ruhig empfunden, in die Kategorie „leise“ fallen Flüstern mit 40 dB oder Büroumgebung mit 60 dB. „Laut“ wird es bei Rufen, einer Mofa (je 70 dB) oder in einer Fabrikhalle (90 dB). Disko und Sägewerk kommen mit 100 dB in die Einteilung „unerträglich“, ebenso Presslufthammer (110 dB) sowie Rockkonzert und Düsentriebwerk (120 dB). Unsere Schmerzgrenze ist dann bei130 dB erreicht. Da sich die Haarzellen nicht heilen können, sind sie einmal beschädigt, sollten wir vor allem mit Lärm sehr vorsichtig umgehen.
Auf dem kurzen Weg zwischen Ohrmuschel und Gehirn können sich zahlreiche Störungen ereignen, die sich in unterschiedlich ausgeprägten Hörminderungen zeigen: Angefangen bei genetischen Veranlagungen bis hin zu Stress, Unfällen oder Medikamenten in deren Folge es zu leichten Schwerhörigkeiten kommen kann bis hin zu vollkommener Gehörlosigkeit. In der Verbreitung muss man von der Volkskrankheit Schwerhörigkeit sprechen, weil bundesweit 20 Prozent aller Menschen in allen Altersgruppen davon betroffen sind, als rund 15 Millionen Menschen. Mag die individuelle Ursache der Hörminderung auch unterschiedlich sein, die Folgen sind für alle Betroffenen gleich: Sie reichen von Nachteilen bei den Bildungschancen oder im Beruf bis hin zu gesellschaftlicher Isolation.
So weit muss es aber erst gar nicht kommen: „Auf dem heutigen Stand der Versorgungsmöglichkeiten ist selbst Gehörlosigkeit keine endgültige Diagnose mehr“, konstatiert Professor Thomas Lenarz, Direktor der HNO-Klinik der MHH. So steht mittlerweile eine Vielzahl von Hörsystemen zur Verfügung, um ganz individuell den Betroffenen zu helfen, wieder ein aktives hörendes Leben zu führen. Welche Systeme es gibt und wie die MHH bei Hörstörungen helfen kann, das erfahren Sie auf den nächsten Seiten.